Hartmut Ganzke (SPD): Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei Ihrer Rede, geehrte Frau Kollegin Erwin, habe ich meinen Sitznachbarn Frank Sundermann gefragt, bei welchem Tagesordnungspunkt wir denn sind; denn ich hatte in Erinnerung, dass wir eigentlich über das Schwarzfahren sprechen wollten. Viel zum Schwarzfahren war in Ihrem Entschließungsantrag, zu dem ich noch kommen werde, nicht vorhanden.
(Zuruf von Dietmar Brockes [FDP] — Gegenruf von Andreas Bialas [SPD])
Ich will Ihnen das Abstimmungsverhalten der SPD-Fraktion zu den beiden vorgelegten Anträgen — und damit zunächst zu dem von den Grünen vorgelegten Antrag — erläutern.
Wir werden uns hinsichtlich des Antrags der Grünen enthalten. Einerseits glauben wir, dass es nachvollziehbar ist, dass die Grünen den Minister der Justiz dazu bringen wollen, zu erklären, wie sein Vorschlag, den er in der Presse geäußert hat, mit seiner an anderer Stelle wiederholt erwähnten Nulltoleranzstrategie zusammenpasst. Das ist höchst interessant, weshalb wir verstehen, warum die Grünen den Antrag gestellt haben.
Ich muss gestehen, dass wir in der Fraktion auch sehr daran interessiert sind, ob der Minister der Justiz seine jetzige Entkriminalisierungsoffensive in seinem Redebeitrag auch vertreten wird. Vielleicht erläutert Minister Biesenbach auch, ob und wie er sich in der Sache mit seinem Kabinettskollegen Wüst, dem Verkehrsminister, abgesprochen hat.
Ich vermute, wir werden gleich, wenn Herr Biesenbach das Wort erhält, eine abgestimmte Regierungsmeinung erfahren. Dann wird hoffentlich auch erläutert, wie die Regierung die Meinung des Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen bewertet, der die Aussagen des Ministers Biesenbach mit — Zitat — „großer Verwunderung“ zur Kenntnis genommen hat.
Fakt ist aber auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass eine Arbeitsgruppe der Länder unter Führung von Nordrhein-Westfalen und Brandenburg nach unseren Informationen noch im Frühsommer daran gearbeitet hat, eine mögliche Gesetzesänderung vorzulegen.
Auch deshalb fragen wir den Minister der Justiz, wie weit denn hier vorgearbeitet wurde und was der Stand der gemeinsamen Überlegungen ist. Vielleicht können Sie uns auch gleich informieren, ob diese Arbeitsgruppe auch schon zu Ergebnissen gekommen ist.
Wir sind nämlich seitens der SPD-Fraktion der Ansicht, dass wir die Frage nicht einzig darauf zurückführen können, ob der umgangssprachlich „Schwarzfahren“ genannte Tatbestand nunmehr straffrei begangen werden kann oder nicht. Vielmehr ist vorrangig — und da sind wir auch bei den Grünen — die Frage eines flexiblen Strafrechts zu diskutieren. Denn wir wissen auch: Für einen vermögenden Straftäter ist eine Geldstrafe nicht gerade von Belang. Es ist eine Kleinigkeit, und der vermögende Straftäter ist auch nicht beeindruckt von solchen Strafen.
Wir wissen aber, dass für den Schwarzfahrer, der nach mehrmaliger Verurteilung seine Geldstrafe nicht zahlen kann, möglicherweise die Auflage einer gemeinnützigen Arbeit genau das Richtige ist. Aus dem Grunde ist es, glaube ich, auch wichtig, dass wir diese Diskussion insgesamt viel breiter führen. All dies, die Diskussionen, Gespräche mit anderen Akteuren wie Verkehrsverbünden, mit Passagierverbänden, mit der Justiz, aber auch die Auseinandersetzung mit der Rechtslehre, kann durch diesen Antrag leider nicht erreicht werden.
Hierfür wäre auch eine Überweisung in die Ausschüsse mit einer anschließenden Sachverständigenanhörung der richtige Weg gewesen und eben nicht die direkte Abstimmung hier. Das ist auch der Grund, warum wir uns enthalten.
(Beifall von der SPD)
Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, Ihr vorgelegter
Entschließungsantrag ist es auch nicht. Für uns wird deutlich, dass Sie dadurch, wie Sie Ihren Entschließungsantrag beginnen, irgendwie ein Entsetzen über die Äußerung des Justizministers zeigen. Wir können uns vorstellen, dass Sie das alles in diesen Antrag reingeschrieben haben —von Überstunden bis zur Wertschätzung bis hin zu angeblich fehlenden Stellen etc. — , weil Sie sehr überrascht waren, dass der Justizminister mit Ihrer Sache vorgeprescht ist. Aus dem Grunde ist dieser ganze Vorbericht in Ihrem Antrag nur eine Ablenkung von der einzigen Frage: Soll man das Schwarzfahren entkriminalisieren oder soll man es nicht tun? Vor dem Hintergrund kann Ihr Entschließungsantrag von uns auch nicht positiv beschieden werden.
Vielleicht gibt es auch noch eine andere Lesart der ganzen Anträge hier. Eventuell nehmen die Grünen dieses Thema mit in die Koalitionsgespräche in Berlin und kommen dort gemeinsam mit der den Minister für Justiz tragenden Partei und den Kolleginnen und Kollegen der FDP zu einer abschließenden Regelung. Im nordrhein-westfälischen Landtag jedenfalls wird die SPD-Fraktion sich bezüglich des Antrags der Grünen enthalten und den Entschließungsantrag von Ihnen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CDU und FDP, ablehnen. — Vielen Dank.
(Beifall von der SPD)
Vizepräsident Oliver Keymis: Danke schön, Herr Ganzke. — Für die FDP-Fraktion hat nun Herr Kollege Mangen das Wort.