Gemeinsam über die Zukunft reden
Thomas Kutschaty diskutierte vor Ort mit SPD-Kommunalpolitikern
Thomas Kutschaty, Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion, umtrieb am Montag im Kreishaus ein Wunsch: „Wir sollten mehr miteinander als übereinander reden.“ Die Gelegenheit hierzu war gut: Der Kreisverband Unna der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK NRW) hatte den ehemaligen NRW-Justizminister zum Gespräch eingeladen. Der Austausch, der sich entwickelte, war äußerst effektiv: Während die anwesenden Kommunalpolitiker aus Städten, Kreis und Gemeinden dem Landespolitiker ihre Wünsche und Kritik mit auf den Weg gaben, warb der für seinen Vorstoß, den Sozialstaat grundsätzlich zu reformieren und sich vom Hartz-IV-System zu verabschieden.
Dass beide Seiten gar nicht so weit auseinander lagen, verdeutlichte Kutschaty mit seinem Zwischenfazit mehr als eindeutig: „Ihr habt ja in allen Punkten recht.“ Zuvor hatten unter anderem Landrat Michael Makiolla, AWO-Unterbezirksgeschäftsführer Rainer Göpfert und Bergkamens Beigeordnete Christine Busch deutliche Kritik am Entwurf des Teilhabechancengesetzes der Bundesregierung geübt. Der zentrale Punkt: Während der Kreis Unna in der Umsetzung des bisherigen Programms „Soziale Teilhabe“ deutschlandweit führend ist und in den vergangenen Jahren 700 Arbeitsgelegenheiten für Langzeitarbeitslose geschaffen hat, würden nach dem neuen Modell schätzungsweise bis zu 500 davon wegfallen – und die Teilnehmer auf der Straße stehen. Ausschlaggebend hierfür ist die Vorgabe, dass die Teilnehmer am neuen Programm mindestens sieben Jahre lang arbeitslos sein müssen. Für die Kommunalpolitiker ist dies viel zu lang, um die Menschen rechtzeitig wieder in Lohn und Brot bringen zu können. Darüber hinaus mischte sich jede Menge Verdruss über die bundespolitischen Akteure in die Statements: „Ich verstehe das nicht. Ich hätte mir das anders gewünscht, und so war es auch zugesagt“, ärgerte sich Landrat Michael Makiolla. Beigeordnete Christine Busch verdeutlichte ihre Enttäuschung mit dem Blick auf die Arbeit in den Jobcentern: „Wir haben hier 24 Monate exzellente Arbeit geleistet – und jetzt kommt die andere Seite und macht alles kaputt.“ Vor dem Hintergrund der außergewöhnlich guten Ergebnisse im Kreisgebiet appellierte sie an das Verantwortungsgefühl der Entscheider in Berlin: „Wir haben noch einen gut.“
Thomas Kutschaty hörte geduldig zu. Viele Punkte kannte er aus anderen Gesprächen, doch die Schilderungen am Montag verdeutlichten noch einmal die konkrete Dimension vor Ort. Kutschaty versprach, die Hinweise in seine Gespräche mit der Bundespolitik mitzunehmen und sich für Änderungen einzusetzen. Die Veranstaltung zeigte aber auch, dass sich ein Wunsch nach einer stärkeren inhaltlichen (Neu-)Ausrichtung durch die Partei zieht: Als der Unnaer Ratsherr Michael Tietze anregte, Themen wie das bedingungslose Grundeinkommen zu diskutieren und so etwas wie eine sozialpolitische Vision der SPD zu entwickeln, stieß er bei Kutschaty auf offene Ohren. Der berichtete nämlich, dass er seit geraumer Zeit keine Woche verbringe, in der er sich nicht mit negativen Folgen der Hartz-IV-Reform beschäftigen müsse – dies vor allem vor dem Hintergrund, dass sich mit den Zeiten auch die Anforderungen an das System verändert hätten. „Wir brauchen heute andere Antworten.“ Kutschaty schwebt eine Reform des Sozialstaats vor, der die Leute auffängt, „wenn mal alles nicht glatt läuft“. Leistungsungerechtigkeiten macht er unter anderem dort aus, wo der 49-jährige gelernte Facharbeiter nach einem Jahr Arbeitslosigkeit dem 25-jährigen gleichgestellt ist, der noch keinen Tag im Leben gearbeitet hat. „Da müssen wir ran, das muss die Gesamtpartei diskutieren.“
Formate wie der Austausch am Montag sind ein gutes Beispiel, wie konstruktiv diese Gespräche sein können. Wir hatte es der Landtagsabgeordnete und SGK-Kreisvorsitzende Hartmut Ganzke noch einmal in seiner Anmoderation formuliert: „Es ist Zeit, dass die SPD in den Städten und im Land ihre Zusammenarbeit Hand in Hand mit Leben füllt.“