Hartmut Ganzke (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich will Ihnen eingangs sagen, dass ich mit dem CDU-Abgeordneten Daniel Sieveke bestimmt nicht immer einer Meinung bin. Aber mit dem Vorsitzenden des Innenausschusses, Herrn Kollegen Sieveke, bin ich in der Quintessenz seiner gerade gehaltenen Rede voll und ganz einer Meinung.
Genauso sage auch ich: Seitens der SPD-Fraktion werden wir die Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu diesem Zeitpunkt ablehnen und damit auch Ihren Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion.
Ich nenne Ihnen ganz klar einen konkreten Grund dafür. Ich nehme Ihnen ab, dass auch Sie daran interessiert sind, die Aufklärung weiter fortzuführen. Eines will ich Ihnen aber ganz klar sagen. Wenn Sie, Herr Kollege Wagner, hier vorne erklären, wie Sie es gerade getan haben, wir Abgeordnete, die möglicherweise gegen Ihren Antrag stimmen, würden uns an den Opfern versündigen, indem wir bei Ihrem Antrag mit Nein stimmen, dann antworte ich: Versündigt an den Kindern, an den Opfern haben sich diese schwierigen Täter, die zum Glück in Untersuchungshaft sind.
(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der FDP)
Versündigt haben sich wohl auch andere Täter, die wir noch nicht ermittelt haben. Aber nicht wir versündigen uns an den Opfern, an den Kindern, wenn wir Ihrem Antrag nicht zustimmen.
Ich will Ihnen weiterhin ganz klar sagen, warum wir das zu diesem Zeitpunkt nicht machen werden. Ihr Antrag ist in Bezug auf den Zeitraum und den Zeitpunkt falsch.
Erstens. Sie haben in dem vorgelegten Antrag einen Zeitraum von insgesamt 28 Jahren angegeben. Sie wollen die letzten 28 Jahre, also von 1991 an, aufarbeiten, Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion. Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein.
Zweitens. Sie reichen Ihren Antrag zu einem Zeitpunkt ein – damit komme ich wieder zu dem, was Herr Kollege Sieveke gesagt hat –, zu dem wir dieses Thema auf die Tagesordnung jeder Innenausschusssitzung setzen. Mit einer Allianz in diesem Parlament wollen wir so zeigen, dass uns dieses Thema wichtig ist.
Ich will aber auch ganz klar sagen: Es kann sein, dass wir über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses noch einmal hier im Parlament diskutieren werden. Indem wir Ihren Antrag heute ablehnen, sagt die SPD-Fraktion nicht, dass sie die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses per se oder möglicherweise zu einem späteren Zeitpunkt ablehnen wird.
Die Argumente dafür, die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses jetzt abzulehnen, habe ich auch im Innenausschuss mitgeteilt. Ich will sie noch mal kurz zusammenfassen:
Wir sehen die Gewaltenteilung auch hier in Nordrhein-Westfalen als ein sehr hohes Gut an. Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landtag ist nicht eine zweite Staatsanwaltschaft. Zurzeit sind die Staatsanwaltschaft und die Polizei am Zug, obwohl wir – das sage ich ganz offen und ganz klar –erleben mussten, dass die Polizei auch haarsträubende Fehler gemacht hat. Wir unterstützen die Staatsanwaltschaft und die Polizeibeamtinnen und beamten darin, Aufklärung zu leisten. Wir haben das Vertrauen in die Personen, die diese Aufgabe übernehmen.
Wir haben abzuwarten. Die Staatsanwaltschaft muss innerhalb von sechs Monaten die Anklage vorlegen – ansonsten müsste sie beim Oberlandesgericht einen neuen Antrag stellen –, weil der Haupttäter in Untersuchungshaft ist. Insoweit, Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion: Die sechs Monate sind Ende Mai vorbei. Das bedeutet, wir müssen abwarten, bis die Anklage vorliegt. Dann werden wir uns mit der Anklage und den weiteren Angelegenheiten befassen.
Auch vor dem Hintergrund, was wir manches Mal nicht zu glauben wagten und was uns im Innenausschuss an Information gegeben wurde, würden wir uns etwas abschneiden. Wir würden uns abschneiden, dass der Innenminister möglicherweise noch weitere Informationen gibt, die er nicht hören und nicht geben will und die wir auch nicht hören wollen und hoffentlich nicht mehr hören, weil wir der Ansicht sind, dass gerade in diesem Bereich genug Fehler passiert sind.
Damit komme ich zu dem Punkt – das sage ich an diesem Pult ganz klar –: Der Minister hat dies zu seinem Projekt gemacht. Das ist im Innenausschuss immer klar gewesen. Herr Reul, wir nehmen Ihnen ab, dass Sie das zu Ihrem Projekt gemacht haben. Wir sehen wohl alle im Innenausschuss, wie Sie sich bemühen und versuchen, dieses Projekt der Öffentlichkeit zu erklären bzw. uns mitzuteilen, dass Sie gewillt sind, die Aufklärung zu leisten.
Ein Projekt endet immer mit einem Abschluss. Diesen Projektabschluss muss man unter die Lupe nehmen und in der Politik dann sehen: Ist der vorgelegte Abschluss für uns und die Öffentlichkeit ausreichend, damit die Öffentlichkeit nachvollziehen kann, was bei der Aufklärung versucht worden ist? Diesen Projektabschluss, den Sie, Herr Minister, uns vorzulegen haben, werden wir bewerten. Und dann werden wir bewerten, ob dieser Tagesordnungspunkt hier möglicherweise noch einmal zum Aufruf kommen muss und ob wir dann mit Ja oder Nein abstimmen werden. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)
Präsident André Kuper: Es gibt eine Kurzintervention der AfD. Herr Wagner hat das Wort.
Markus Wagner (AfD): Vielen Dank. – Herr Kollege Ganzke, ich möchte auf zwei Dinge eingehen. Ein paar andere behalte ich mir noch vor, weil ich nachher noch mal ans Pult gehe.
Sie sprachen vom Untersuchungszeitraum. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele nennen. Es gab einmal den PUA III der 16. Wahlperiode zum NSU-Terror. Wir hatten damals einen Untersuchungszeitraum von Oktober 1991 bis zur Einsetzung des Ausschusses am 5. November 2014 – immerhin 23 Jahre.
Das zweite Beispiel ist der von mir jetzt schon zweimal zitierte PUA II der 16. Wahlperiode, in dem es um den Niedergang der Westdeutschen Landesbank ging. Der Untersuchungszeitraum reichte vom Beginn der 80er-Jahre bis Juni 2012, also über 30 Jahre.
Glauben Sie mir eines, Herr Kollege: Wir haben es uns nicht leicht gemacht. Aber wir haben uns letztlich durch die Taten des mutmaßlichen Täters gezwungen gesehen, den Beginn des Untersuchungszeitraums auf 1991 zu legen, weil wir keines der mutmaßlichen Opfer außen vor lassen wollten. 1991 ist die älteste uns derzeit bekannte mögliche Tat geschehen. Daher lässt sich das nicht anders stricken.
Aber wir wären einverstanden, auch später anzufangen, wenn Sie der Meinung sind. Ich persönlich glaube nur, wir sollten und müssten tatsächlich in der Zeit anfangen, in der es unserer Kenntnis nach das erste Opfer gegeben hat. Das war 1991.
Das Zweite: Sie haben zu Recht gesagt, dass Minister Reul die Angelegenheit zu seiner Sache macht.
Präsident André Kuper: Die Redezeit.
Markus Wagner (AfD): Das finde ich auch gut. Aber es geht nicht darum, dass Exekutive Exekutive kontrolliert, sondern es geht auch darum, dass die Legislative die Exekutive kontrolliert, und das sind wir als Parlament. Deswegen bin ich schon der Meinung, dass ein Untersuchungsausschuss da positiv begleitend und unterstützend wirken kann. – Danke.
(Beifall von der AfD)
Hartmut Ganzke (SPD): Herr Kollege Wagner, ich glaube, mit Ihrer Kurzintervention haben Sie eines gemacht, was wir als Politik nicht machen dürfen. Sie haben diesen schrecklichen Kindesmissbrauch in Zusammenhang mit dem Niedergang einer Landesbank gesetzt.
Wir sind uns insoweit einig, dass Kindesmissbrauch eine existenzielle Bedrohung für das Klima in diesem Lande ist. Es ist eine Unverschämtheit und nicht nachvollziehbar, dass Kindesmissbrauch, der insgesamt geächtet ist, immer noch vorkommt. Da müssen wir ansetzen. Ich glaube, wir dürfen da nicht Laufzeiten von PUAs miteinander vergleichen, was Sie gerade gemacht haben.
(Beifall von der SPD)
Und der zweite Punkt: Sie haben doch zugehört. Manchmal sollte man eine Chance, die man bekommt, vielleicht einmal etwas liegen lassen, weil man dann im Endeffekt eher und auch richtiger über etwas entscheiden kann. Ich habe ja klargemacht: Es ist nicht ausgeschlossen, dass wir hier noch einmal darüber diskutieren, ob ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss einzurichten ist oder nicht. Wenn wir dann darüber diskutieren und uns dafür entscheiden, ihn einzurichten, dann haben wir doch viel mehr Informationen, als wir jetzt haben. Das ist der Grund, warum wir Ihren Antrag jetzt ablehnen werden. – Vielen Dank.
(Beifall von der SPD – Zuruf von der AfD)
Präsident André Kuper: Vielen Dank, Herr Kollege Ganzke. – Für die FDP hat nun der Abgeordnete Lürbke das Wort.